Avatar

Transdermales Östrogen bei stillen Kleinhirninfarkten

Kategorie: Hormontherapie-wechseljahre.de » Expertenrat Hormontherapie | Expertenfrage

16.02.2023 | 12:50 Uhr

Sehr geehrter Herr Prof. Bohnet,

ich hoffe sehr, Sie als absoluter Experte können mir helfen. (50 Jahre,177cm, 54kg) Seit Absetzen der Pille im April 2022 in die Wechseljahre gekommen. Seitdem keine Blutung mehr.

2021 wurden per Zufallsbefund zwei ältere stille Kleinhirninfarkte bei mir gefunden. Daraufhin wurde ich komplett "auf den Kopf gestellt", um die Ursache zu finden (Ultraschall hirnversorgende Arterien, umfassende Blutuntersuchungen,genetische Faktoren,EKG, etc. - rauche nicht, mache Sport und ernähre mich gesund) Das Ergebnis war, ich bin rundum gesund und es gibt keine Erklärung, woher die Läsionen kommen.Seitdem nehme laut Leitlinie vorsorglich ASS100 und Atorvastatin erst 20mg, jetzt 10mg (HDL 103, LDL 57) .

Seit 6 Monaten leide ich unter massiven Schlafstörungen. Mein Gynäkologe hat mich an einen Endokrinologen überwiesen, da er unsicher war, was er mir verschreiben darf (er hatte das Absetzen der Pille initiiert, da er die Pille wegen der Infarkte im Verdacht hatte, die ich über 30 Jahre genommen habe). Aufgrund der langen Wartezeit auf den Termin und des hohen Leidensdrucks habe ich mir Hilfe bei einer sehr versierten Ganzheitsmedizinerin gesucht. Sie hat folgende Werte genommen:

FSH 101.0 mlU/ml, Progesteron 0,16 ng/ml, Östradiol 109.6 pg/ml , Schilddrüsenwerte ok., Lipoproteine, Homocystein o.k.

Sie riet mir zu einer sofortigen Thearapie mit Progesteron (demnächst Famenita 200, jetzt zum "Einschleichen" 100 oral und Progesteroncreme) und perspektivisch zu bioidentischem Östrogen transdermal, Gynokadin( wenn mein Östrogen absinkt). Aus ihrer Sicht spricht bei meiner Vorgeschichte nichts gegen die transdermale Anwendung - im Gegenteil: sie sagte, das bioidentische Östrogen hätte dann sogar einen schützenden Effekt für die Gefäße (und Knochen, etc.). Nur die orale Gabe von Östrogen sei bei mir komplett kontraindiziert.

Nun fand gestern der Termin beim Endokrinologen statt. Dieser sagte mir, aufgrund der stillen Infarkte wäre jede Gabe von Östrogen - auch transdermal - kontraindiziert, selbst wenn die Beschwerden extrem werden würden. Er riet mir auch von Phytoöstrogenen ab. Eine Knochendichtemessung hielt er ebenfalls für nicht sinnvoll...(Meine Mutter hatte extreme Osteoporose - sie hatte auch BRCA2 Brust/Eierstockkrebs - ich habe die Mutation aber glücklicherweise nicht geerbt.). Zumindest beim Progesteron waren sich Beide einig.

Nun bin ich verwirrt... schützt das transdermale Östrogen nun oder ist es für mich gefährlich? Mein Gefühl war - auch nach der Lektüre des Buchs von Sheila de Liz -, das eine HRT mit transdermalem bioidentischen Estradiol eine sehr gute Option wäre, neben akuten Beschwerden auch für die Zukunft vor Alterskrankheiten besser geschützt zu sein.

Was raten Sie mir?

Ganz herzliche Grüße 

Katinka

Helfen Sie mit Ihrer Bewertung: Ja, dieses Thema ist hilfreich!

5
Bisherige Antworten
Experte-Bohnet
Beitrag melden
16.02.2023, 17:27 Uhr
Antwort von Experte-Bohnet

Ihre Eierstöcke scheinen, wie das die Hormonwerte widerspiegeln, bereits ganz erloschen zu sein. Offensichtlich hat sich bisher daran "gestört", dass Sie trotz der Befunde bis vor kurzem noch die Pille eingenommen haben, welche in der Tat das Thromboserisiko erhöhen kann. Bei niedrig dosierter Anwendung von Ö (transdermal) steigt das Thromboserisiko nur wenn Gefäße vorgeschädigt sind, wovon bei Ihnen nicht auszugehen ist, wenn ich die mitgeteilten Laborwerte und Ihr niedriges KG berücksichtige.

Kurzum, ich halte die Einnahme von 100 mg Prog ca. 1 Std. vor dem zu Bett gehen für sinnvoll und das Auftragen zunächst eines halben Hubes Gel (über 6 - 8 Wochen) vertretbar.

Von der Statur her ist im Gegensatz zu füllgen Frauen grundsätzlich mit einem "erhöhten" Osteoporose-Risiko zu rechnen; deshalb ist die zeitnahe Dokumentation der Knochendichte angezeigt. Auch sollten Sie 2000 E Vit tgl. zu einer Mahlzeit einnehmen, s.u.a. www.medivital.eu.

Tut mir leid, dass Sie mit unterschiedliche Meinungen zur HT konfrontiert werden; ich halte mich an wissenschaftliche Daten (ESTHER)  und an die Leitlinien der Fachgesellschaften.

Beitrag melden
17.02.2023, 11:26 Uhr
Kommentar

Lieber Herr Prof. Bohnet,

ganz herzlichen Dank für Ihre schnelle Antwort! Sie sind so eine große Hilfe für uns oft leider "desinformierte" Frauen!

Nur damit ich alles ganz richtig verstehe:  mit dem halben Hub Gel meinen Sie Östrogen Gel (Gynokadin), richtig? Und wie würde es in 6-8 Wochen weitergehen? Sollte man dann das Progesteron auf 200mg erhöhen (und bei dem halben Hub Östrogen Gel bleiben ?) - oder eines oder beides pausieren?

Und ist es ungewöhnlich, dass mein Östradiolwert zur Zeit im Blut noch bei 109 ist?

Die Knochendichtemessung werde ich angehen! (Vitamin D nehme ich schon länger ein.)

Ganz herzliche Grüße und ein schönes Wochenende für Sie

Katinka

 

Experte-Bohnet
Beitrag melden
17.02.2023, 19:09 Uhr
Antwort von Experte-Bohnet

Nach 6 bis 8 Wochen könnten Sie ggf. einen Hub Gel anwenden; kommt auch darauf an, wie Sie sich fühlen und wie die KD-Messung ausgefallen ist. Unter Berücksichtigung Ihrer Körpermaße müssten 100 mg Prog ausreichend sein. Aber 200 mg fördert die Einschlafphase stärker!

Avatar
Beitrag melden
04.06.2023, 12:54 Uhr
Antwort

Lieber Her Prof. Bohnet,

ich benötige bitte nochmal Ihren Rat. Gemäß Ihrer Empfehlung im Februar habe ich meine Knochendichte messen lassen. Dabei wurde eine Osteopenie festgestellt.:

Wirbelsäule L1 bis L2: 1,7, Schenkelhals rechts u. links Femur gesamt: 2,1

Leider will mir kein Arzt Gynokadin verschreiben. Ich habe inzwischen ein zweites Endokrinologikum aufgesucht, in der Hoffnung, man würde dort die Dinge differenzierter gemäß der aktuellen Studienlage beleuchten. Die Ärztin war zunächst auch sehr aufgeschlossen und sah - genau wie Sie - keine Kontraindikation in den stattgehabten stillen Kleinhirninfarkten, da ich ja sonst rundum gesund bin ( Gerinnungsfaktoren, Butwerte, mehrfache Dopplersonographien, schlank etc.) und hielt eine leicht protektive Wirkung des Östrogens für denkbar. Aber auch sie wollte nicht allein die Verantwortung tragen und hat meinen Fall in der interdisziplinären Ärzterunde besprochen. Ergebnis: man rät von transdermalem Östrogen ab, aufgrund der stillen Kleinhirninfarkte ( anscheinend werden diese selbst als Gefässschädigung gewertet). Man empfiehlt einen Therpieversuch mit Venlafaxin...

Das man ein wenig transdermales Östrogen als gefährlich einstuft und ein Antidepressivum, welches ja auch erhebliche Nebenwirkungen haben kann, leichtfertig einsetzen will, bestürzt mich und macht mich ratlos...

Mein Problem sind nach wie vor die Schlafstörungen. Zur Zeit nehme ich 200mg Progesteron (und L-Tryptophan)- damit klappt es nächteweise besser - aber leider habe ich ímmer wieder Einschlaf-, bzw. Durchschlafstörungen und etwas Nachtschweiss ( sonst keine wirklichen Hitzewallungen).

Was kann ich tun? Kann ich das Progesteron als Monotherapie fortführen? Haben Sie sonst noch einen Tipp für mich? Was kann ich noch neben Vitamin D gegen die Osteopenie tun? Könnte Estriol Salbe auch ein wenig helfen?

Gibt es tatsächlich keinen anderen Weg als die Einnahme von Antidepressiva? Ich würde das wirklich gerne vermeiden...

Ganz herzliche Grüße von Katinka

 

 

Experte-Bohnet
Beitrag melden
05.06.2023, 10:34 Uhr
Antwort von Experte-Bohnet

Leider ist die Medizin in der Weise kompliziert geworden, weil alles juristisch abgesichert werden muss und die kollektive Verantwortung von persönlicher Entscheidung abgelöst wurde.

Um die Schlafstörungen anzugehen, können Sie in jedem Falle weiterhin tgl. 200 mg Prog einnehmen. Es ist durchaus zum Standard geworden, eine niedrige Dosis eine ADs zu verordnen, da eine positive Wirkung belegt ist.

Ich würde Ihnen raten, dass Sie kontinuierlich und regelmäßig DHEA haltige Scheidenzäpfchen anwenden.

Ihre T-Werte für die Oberschenkelhalsknochen weisen bereits mit - 2,1 auf eine (leichte) Osteoporose hin. Hier wäre regelmäßiges Fahrradfahren, u.a. auch mit einem Heimtrainer sinnvoll und vor allem regelmäßiges Krafttraining.

Zur Osteoporose-Behandlung kommt u.a. die Einnahme von Raloxifen in Betracht; aber diesen Vorschlag müssen Sie wieder vor Ort abstimmen lassen.

Beitrag melden
05.06.2023, 16:18 Uhr
Kommentar

Vielen herzlichen Dank für Ihre schnelle Antwort, lieber Herr Prof. Bohnet!

Die Option DHEA haltigen Scheidenzäpchen kannte ich noch gar nicht... das wäre dann sogar besser für mich als Estriol -Zäpchen? (Bei Estriol hatte die Endokrinologin mal ausnahmsweise keine Bedenken ;-))

Ich bin morgen bei meinem Gynäkologen und könnte ihn direkt danach fragen. Er ist allerdings nicht so "up to date" mit den neusten Therapieoptionen zum Thema Wechslejahre ... hoffe, er kennt diese Option...Wie oft sollte ich die Zäpfchen dann anwenden? (Zur Zeit spüre ich noch keine Trockneheit)

Würden Sie beim AD auch zu Venlafaxin tendieren oder gibt es hier etwas besser Geeignetes mit u.U. weniger Nebenwirkungen?

Ich habe gerade gestern eine Radtour gemacht! Krafttraining steht auch auf dem Programm. Ansonsten fast täglich Yoga.

Ganz liebe Grüße

Katinka