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HT empfehlenswert oder raten Sie ab?

Kategorie: Hormontherapie-wechseljahre.de » Expertenrat Hormontherapie | Expertenfrage

10.11.2020 | 11:16 Uhr

Sehr geehrter Herr Prof. Bohnet, 

mit großem Interesse habe ich Ihre Beratungen hier im Forum verfolgt und möchte Sie daher um Rat fragen und den Ansatz HT für mich überprüfen. Mein Fall liegt so: Ich bin 58 Jahre bei 162 cm und 53 kg. Die letzte Regel war vor 4 Jahren.Bisher  wurde mir von einer HT strikt abgeraten, daher habe ich auch Knochendichte-Werte und so nicht parat. 

Da ich schon immer sehr sportlich war, habe ich nicht mit all den Symptomen gerechnet, die jetzt auftreten: Massive Gelenkbeschwerden (der Orthopäde winkte nur ab, o. B.), massive Veränderungen an der Vulva, Herzrasen (der Kardiologe winkte nach EKG eigentlich nur ab, trotzdem 1/2 Tbl. Candesartan), Vergesslichkeit (bin darüber sehr besorgt), Die Hitzewallungen stecke ich irgendwie weg. Das Schlafgeschehen ist bei mir kurios: Gegen 20 Uhr ruhe ich "ganz kurz" vor dem Fernseher aus und finde mich im bestehen Fall zwischen 2 und 3 Uhr nach Tiefschlaf noch immer dort wieder. Ich mache mir Brote für den nächsten Tag und räume auf, dann "gehe ich schlafen" bis um 5:30 Uhr (voll berufstätig). In kurzen Abständen (3 x allein bis Juli dieses Jahres)  habe ich Harnwegsinfekte, jedesmal ist Antibiotika erforderlich. Der Kräfteverfall ist immens. Mein Leben steht ziemlich kopf...

An eine HT habe ich bisher nicht gedacht: In der Familie gibt es u. a. BRCA1-Befunde. Meine Cousine schickte mir als positive Index-Person ihre Werte, ich habe mich dann mit 46 Jahren testen lassen. Ich aber bin (unerwartet) negativ...  Ihre und meine Mutter sind beide an Ca der weiblichen Geschlechtsorgane verstorben. Meine Cousine ist positiv, sie erkrankte mit 29 Jahren an Brustkrebs. Nach erfülltem Kinderwunsch und Total-OPs sowie Aufbau geht es ihr heute gut. - Ich aber und vermutlich meine Schwester sind negativ und haben unsere Vorfahrinnen lange über lebt, Wir hatten im Gegensatz zu unseren Verwandten eine sehr junge Mutter - unser ganz großer Bonus? - Ich wurde auf das Negativ-Ergebnis im BRCA-Programm der Charité noch einige Jahre "geduldet", wurde jetzt aber dort rausgeworfen. Die Kapazitäten werden nur für die Betroffenen gebraucht. Mein Risiko wurde mehrfach als "normal" eingeschätzt, ich gehe jetzt zu den normalen Einladungen. - Meine Gyn hat mir bisher nur eine Estriol-Salbe für die Vulva gegeben. - Kann ich eine HT probieren? Können Sie mir zu oder abraten? Die neueren Publikationen über bioidentische Hormone und transdermale Darreichungsformen haben mich nachdenklich gemacht. 

Vielen Dank für Ihren fachlichen Rat sagt 

Cleora

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Bisherige Antworten
Experte-Bohnet
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10.11.2020, 18:54 Uhr
Antwort von Experte-Bohnet

Ich würde, nachdem was Sie ausgeführt haben, vermuten, dass Ihr Brustkrebsrisiko gering ist. Es gibt Jahrzehnte lange Erfahrung, Östradiol über die Haut anzuwenden und Progesteron Kaps. einzunehmen; unter dieser WJ-Hormontherapie ist die Häufigkeit von Brustkrebs im Vergleich zu anderen Therapien äußerst gering, aber eben auch nicht Null! Was häufig vergessen wird, ist, dass mit zunehmendem Alter alleine die BK-Inzidenz ansteigt und vor allem mit einer Gewichtszunahme. Da Sie schlank sind, fällt also dieser Faktor weg.

Ich hielte es aus der Ferne, von der ich nicht alle Aspekte im Einzelfall übersehe, durchaus vertretbar, dass Sie z.B. zunächst einen halben Hub Gel vor dem Schlafengehen auftragen und ca. 1 Std. vor dem zu Bett gehen eine Kapsel mit 100 mg Progesteron einnehmen. Sowohl Östradiol und Progesteron sind körpereigene Hormone, d.h. Sie wurden ca. 35 J von den Eierstöcken gebildet; sie liegen in bio-identischer Form vor.

Wenn bei Ihnen der Körper inzwischen an Hormonen total verarmt ist, können auch geringste Mengen an Ö zu Brustspannen führen, was Sie dann nicht beunruhigen sollte!

Wichtig wäre, dass sowohl Vit D als auch die Knochendichte zeitnah kontrolliert wird; sollte sich eine Osteoporose zeigen, so würde dies in jedem Falle auch eher für eine Ö Anwendung sprechen als dagegen.

PS danke für die Anerkennung meiner Arbeit im Forum!

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10.11.2020, 21:34 Uhr
Kommentar

Sehr geehrter Herr Professor Bohnet, 

vielen Dank für Ihre Einschätzung aus der Sicht des Facharztes! Habe gar nicht erwartet, so eine hochwertige Beratung im Netz zu erhalten und bin froh über das Auffinden der Seite! Ich wünsche Ihnen viele Erfolge im Bemühen um die Frauengesundheit. 

Die Messungen lasse ich zeitnah vornehmen und werde dann meine Bitte meiner Gyn vortragen. Ich hoffe, sie fasst Mut und wird mich unterstützen. Gerne melde ich mich nochmal, ob es besser geht. - Allen Frauen, die vielleicht mitlesen, wünsche ich alles Gute, und dass sie ihre Befindlichkeit bald bessern können. Ich werde diese Seite auf jeden Fall weiterempfehlen. 

Mit vielen Grüßen und alles Gute

Cleora

Experte-Bohnet
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11.11.2020, 01:07 Uhr
Antwort von Experte-Bohnet

Wünsche, dass die vor Ort behandelnde Ärzte kooperieren! Ja, melden Sie sich bei Bedarf gerne wieder!

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19.01.2021, 23:15 Uhr
Kommentar

Sehr geehrter Herr Professor Bohnet, 

ich melde mich heute zurück mit der Bitte um Ihren Rat und Ihre Beurteilung.

Ich war inzwischen zur (selbst gezahlten) Knochendichtemessung beim Radiologen - T-score -1.9 (80%) und Z-score von -0.8 (90%). Ich habe Hinweise zu Sport, Ernährung und Vit-D Ergänzungen erhalten. 

Bei meiner langjährigen Frauenärztin hatte ich ebenfalls einen Termin und berichtete über die deutliche Verbesserung "unten herum" unter der Estriol-Creme (2x wöchentlich angewandt).

Ich äußerte ihr gegenüber den Wunsch nach Hormonsubstitution aufgrund der zahlreichen Beschwerden und bat um ihre Unterstützung und Begleitung. Bisher hatte meine Frauenärztin immer Bedenken - ich selbst bin zwar negativ auf BRCA1 getestet, aber in meiner Familie gab es die letzten 4 Generationen hindurch bis hin zu meiner Mutter und meiner Cousine Erkrankungen. - Meine Ärztin riet mir, dass ich eine erneute Testung auf die zurzeit diskutierten restlichen ca. 10-12 Gene sicherheitshalber durchführen lassen solle, und ich erhielt wieder einen Überweisungsschein zum Brustzentrum der Charité. Dann übergab sie mir - zu meiner Überraschung - eine Packung mit 80 g GYNOKADIN und 2 Packungen FAMENITA 100 mg und ich erhielt die Empfehlung zu 1 Hub + 2 Kapseln täglich abends. Bei meiner Frage nach einem Blutbild hinsichtlich des Hormonstatus' meinte meine Ärztin, das sei nicht nötig, sie würde ja sehen, dass ein Hormonmangel vorläge ...  

Inzwischen hat 1 von 2 Terminen in der Charité stattgefunden, eine Videoberatung zur Vorabfrage. Der ärztlche Kollege am Bildschirm befürwortete nach Prüfung der Unterlagen und einem ausführlichen Interview ebenfalls, dass ich eine HT versuchen könne. Ich erhielt noch umfangreiche Informationen über die 2. Untersuchung hinsichtlich der erwartbaren Ergebnisse und Risiken möglicherweise auch für eine Anzahl von anderen Erkrankungen. 

Ich hatte heute einen weiteren Termin in einer anderen, wie mir schien, mehr auf die Belange der Wechseljahre ausgerichteten Gyn-Praxis, um nach regelmäßiger Begleitung und den empfohlenen Kontrolluntersuchungen zu fragen, bevor ich mit der Behandlung anfange. Die ärztliche Kollegin dort hatte aber einen ganz anderen Ansatz - sie riet mir, nachdem wir die begrenzte Wirksamkeit von pflanzlichen Präparaten besprochen hatten, mir Circadin-Kapseln 1,5-2 mg und Pregnolon-Kapseln (von Vitabasix) zu kaufen. Ich müsse eine Erst-VO durch die Praxis wahrnehmen, dann könne ich die Präparate frei nachkaufen... Sie hat jedoch die angeratene Blutabnahme (die Hormone, Schilddrüse, Vit-D) durchgeführt, das Ergebnis erhalte ich in ca. 10 Tagen. 

Das ist viel Text. Meine Frage oder Bitte an Sie zur Einschätzung lautet: Die Unterstützung durch Gynokadin und Famenita hatte ich verstanden, aber was hat es mit dem Pregnolon auf sich? Ist das stattdessen, oder ist das eine Ergänzung? Wirkt das ebenfalls, soll ich erst das eine und dann das andere ausprobieren, wie sehen Sie es?

Es bedankt sich bei Ihnen herzlich, mit Wünschen für eine gute Woche,

Cleora

 

Experte-Bohnet
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20.01.2021, 09:57 Uhr
Antwort von Experte-Bohnet

Die Anwendung von Ö Gel und Progesteronkapseln hat sich seit Jahrzehnten bewährt und es gibt eine zuverlässige Studienlage! im Vergleich zu anderen WJ-Hormontherapien ist auch die niedrigste NW-Rate dokumentiert!

Offensichtlich sind Sie in eine Praxis gekommen, wo "Alternativ-Medizin" angeboten wird, welche vornehmlich auf Selbst- bzw. Zuzahlung beruht. Ein solches Vorgehen ist durch die Leitlinien der Fachgesellschaften nicht abgedeckt!

Es ist letztlich Ihre Entscheidung, welchen Weg Sie gehen wollen. Ich hielte die Anwendung eines halben Hubes Gel unmittelbar vor dem Schlafengehen und die Einnahme einer Kapsel mit 100 mg Progesteron ca. 1 Std. vor dem zu Bett gehen, für vertretbar!

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20.01.2021, 22:31 Uhr
Kommentar

... herzlichen Dank für Ihren Rat, Herr Professor. Also bleibe ich dabei und werde es genau so machen. 

Freundliche Grüße und dankeschön, Cleora

Experte-Bohnet
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21.01.2021, 08:21 Uhr
Antwort von Experte-Bohnet

Ja, so ist es gut! Bleiben Sie gesund!

Vit D, Knochendichte?