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Follikelpersistenz / hohe Estradiol-Werte / Utrogest

Kategorie: Hormontherapie-wechseljahre.de » Expertenrat Hormontherapie | Expertenfrage

18.11.2020 | 22:14 Uhr

Sehr geehrter Herr Prof. Bohnet,

zunächst einmal möchte ich Ihnen als Medizinerin herzlich danken - das Lesen Ihrer Ratschläge ist endokrinologische Fortbildung auf höchstem Niveau! Leider wird die gynäkologische Endokrinologie von vielen Ihrer Fachkollegen immer noch sehr vernachlässigt. Und auch den niedergelassenen Gynäkologen trauen Sie oft mehr zu, als es der Realiotät entspricht.

Nun brauche ich wohl selbst Ihre Hilfe. Seit ca. 10 Jahren leide ich unter Hypermenorrhoe bei Adenomyosis Uteri mit  Eisenmangelanämie und entsprechender Symptomatik. Bis Anfang 2020 ! regelmäßiger Zyklus (28 Tage). Unter der Gabe von 7% naturidentischem Progesteron (wider jeglicher Leitlinie versucht ....) seit ca. 1/2 Jahr Palpitationen, Gliederschmerzen, Mastodynie, Gewichtszunahme, Ödeme, Müdigkeit und 14tägige erfreulicherweise eher schwache Blutung. 

Aktuelle "Daten":

Alter 52

Größe 1,68

Gewicht 80kg (ca. 8kg Zunahme in diesem Jahr)

Raucherin

TSH 1,23 yIU/ml

FSH 4,2mIU/ml

Estradiol 693pg/ml

Progesteron  1,25ng/ml         jeweils ZT 13

Vit D, Chol/HDL/LDL, BB, BZ / HbA1c o.B.

Bei wiederholt auftretenden mittzyklischen Beschwerden im rechten Unterbauch gehe ich von wiederholten Follikelpersistenzen aus. 

Wie kann ich medikamentös den Östrogenspiegel senken / Follikelpersistenzen verhindern ohne meine ja ohnehin erhöhtes Thromboserisiko weiter zu steigern? Reicht eine Therapie mit Utrogest?...mir ist klar, daß eine Gewichtsreduktion zielführend wäre, diese ist aber seit Wochen nicht "erzielbar" (Hungerattacken, Ödeme, Erschöpfung mit Bewegungsmangel). Seit ca. 2 Monaten eingenommenes Spironolacton (50mg) hat die Beschwerden eher noch gesteigert.

Und noch eine Frage (wenn ich darf?): Wie ist das "therapeutische Fenster" definiert, von dem Sie im Bezug auf die HET sprechen? Leider finde ich in der Literatur darüber wenig.

Für Ihren Fachärztlichen Rat  wäre ich sehr dankbar, bevor ich nächste Woche meinen sehr empathischen und guten Gynäkologen konsultiere, der aber endokrinologisch eher "oldscool" ist. 

Beste Grüße aus Köln und bleiben Sie gesund 

Anna

 

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Bisherige Antworten
Experte-Bohnet
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19.11.2020, 02:11 Uhr
Antwort von Experte-Bohnet

Über Ihre netten Zeilen habe ich mich sehr gefreut; herzlichen Dank!

Es ist aufgrund Ihres Alters davon auszugehen, dass Sie eine Restaktivitä der Eierstöcke noch bis zu 3 Jahren besteht. Bei nachgewiesenem hohen E2-Spiegel, d.h. über ca. 200 pg/ml sollte ein Gestagen eingenommen werden, z.B. 2 x 1 CMA à 2 mg über 10 Tage. Ansonsten wäre zunächst die zyklische Anwendung von Progesteron-Kaps. mit 200 mg ca. 1 Std. vor dem zu Bett gehen zu erwägen und zwar von ca. 13. ZT über 10 bis 12 Tage.

Gerne empfehle ich auch das Legen einer Mirena o.ä., das hat den Vorteil, dass Sie ggf. nur Östradiol Gel anwenden brauchen, was unter Berücksichtigung, dass Sie Raucherin sind, besonders günstig wäre. Leider kommt es aufgrund der Stoffwechselveränderungen meist zur Gewichtszunahme. Die Ö-Dominanz fördert natürlich auch eine Wassereinlage; deshalb lasse ich gerne Spiro 50 kontinuierlich einnehmen, was auch leicht progestagen wirkt!

Der Beginn einer HT hängt natürlich von der Symptomatik ab. Aber erfahrungsgemäß wird meist zu spät begonnen, weil viele Frauen erstmal versuchen wollen, ohne Hormone auszukommen. Die "frühzeitige" Ö-Substitution hat positive Effekte das KHK-Risiko!

Ich gebe gerne folgendes Beispiel: wenn sich eine Hypothyreose entwickelt, wartet man ja auch nicht ab, bis Sie ausgeprägt manifest ist, sondern fängt bereits bei einer latenten Störung mit einer Substitution an!

Alles klar?! Beste Spätherbstgrüße nach Köln!

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22.11.2020, 23:29 Uhr
Kommentar

Alles klar! Ganz herzlichen Dank für diese ausführliche und informative Antwort. Sie haben mir sehr weitergeholfen. 

Auch "Danke" dafür, daß Sie gnädig waren Gewicht und Rauchen betreffend ... das bewirkt manchmal noch mehr, sich vor sich selbst rechtfertigen zu müssen.

Insgesamt bin ich guter Dinge mit Ihrer Hilfe einen guten Weg gehen zu können.

Ich hätte noch zwei (kurze?) Fachfragen, zu denen ich im Netz und auch im Kollegium wiedersprüchliche Aussagen erhalte:

Hat Spironolacton neben seiner progestagenen Wirkung auch einen östrogenen Effekt bei der Frau ( bei Männern ist dieser ja sehr ausgeprägt je nach Dosis und Dauer der Einnahme)?

Berdarf die vaginale Applikation von Progesteronkapseln nicht einer Dosisanpassung/-reduktion, da ja der First-Pass-Effekt über die Leber wegfällt?

Beste Grüße in den Norden, eine schöne Vorweihnachtszeit und Danke, daß Sie uns "schwierige Frauen mittleren Alters" so wunderbar verständnisvoll und kompetent begleiten

Anna

 

 

Experte-Bohnet
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23.11.2020, 00:49 Uhr
Antwort von Experte-Bohnet

Spiro hat sich mir sehr bewährt, insbes. wenn es Neigung zu Wassereinlagerungen gibt. Im weibl. Stoffwechsel kein Problem! - Drosperinon leitet sich vom Spiro ab!

Vaginal angewendet wirkt das Prog in der Tat etwas "besser"; aber keine Frau will es über Monate so anwenden! Es hat eine große therapeutische Breite, sodass die von Ihnen angesprochenen Effekte vernachlässigt werden!

Alles Gute! Stay safe!